Als federführende Industrie und Handelskammer im Ruhrgebiet (Ruhr-IHKs) haben wir den WAZ-Chefredakteur Andreas Tyrock und Wirtschaftsredakteur Frank Meßing Anfang Mai zum Gespräch in unseren Plenarsaal eingeladen. Dabei gab es einige Themen zu besprechen: Wasserstoff, Fachkräftemangel, marode Infrastruktur sowie die US-Zollpolitik. Die Vertreterinnen und Vertreter aller Ruhr-IHKs waren bei diesem Gespräch selbstverständlich auch dabei.

„Unser Ehrenamt weiß ganz genau, wo der Schuh drückt“
Bereits zu Beginn macht unser Präsident Gerd Kleemeyer klar: „Die Herausforderungen im Ruhrgebiet bleiben groß. Unsere Aufgabe als Ruhr-IHKs besteht unter anderem darin, auf diese Herausforderungen hinzuweisen und – wenn nötig – auch den Finger in die Wunde zu legen. Gleichzeitig wollen wir dabei praxisnahe Lösungen präsentieren und Wege aufzeigen, wie wir gemeinsam besser werden können.“ Umso wichtiger ist es, dass das IHK-Ehrenamt im WAZ-Interview zu Wort komme. „Denn unsere Präsidentinnen und Präsidenten kennen die Sorgen der Unternehmen vor Ort und wissen eben ganz genau, wo der Schuh drückt.“
US-Zollpolitik kann zum Preis-Bumerang werden
Eine der aktuell größten Herausforderungen stellt die US-Zollpolitik für zahlreiche Unternehmen im Ruhrgebiet dar. „Ich habe nachgerechnet: Es sind noch gut 1.300 Tage, die uns Donald Trump begleiten wird. Die Geschwindigkeit, wie er seine Meinung ändert, macht uns alle oft fassungslos wahnsinnig“, resümiert der Präsident der IHK zu Dortmund Heinz-Herbert Dustmann. Im April hatte dazu eine Umfrage in der MEO-Region ergeben, dass 40 Prozent der Befragten negative Effekte für Ihre Unternehmen erwarten. Darüber hinaus ist zu befürchten, dass die aggressive Zollpolitik zum Preis-Bumerang für die amerikanischen Verbraucherinnen und Verbraucher wird.
Stolperstart der neuen Bundesregierung
Nachdem Friedrich Merz im zweiten Wahlgang zum neuen Bundeskanzler gewählt wurde, richten die Ruhr-IHKs ihren Blick nach Berlin. Unsere Hauptgeschäftsführerin Kerstin Groß erkennt im Koalitionsvertrag begrüßenswerte Maßnahmen: „Die geplanten Reformen der neuen Bundesregierung werden jedoch nicht funktionieren, wenn die Wirtschaft nicht schnell wieder in Gang kommt.“ Dr. Stefan Dietzfelbinger, Hauptgeschäftsführer der Niederrheinischen IHK zu Duisburg, sieht zudem die Regierung in Düsseldorf in der Pflicht: „Wir erwarten jetzt auch eine Flankierung durch die NRW-Landesregierung.“
Hohe Energiepreise und Planbarkeit bei Wasserstoff-Strategie
Einig sind sich die Ruhr-IHKs, dass Wasserstoff in den kommenden Jahren ein zentraler Rohstoff sein wird, so beispielsweise für die Stahl- und Chemieindustrie. Gleichwohl wird die Umstellung auf wasserstoffbasierte Produktion mit deutlich höheren Kosten verbunden sein. Der Präsident der IHK Nord Westfalen Lars Baumgürtel betont: „Es sollte auch nicht nur grüner, sondern auch blauer Wasserstoff zum Einsatz kommen. Die großen Mengen, die wir im Ruhrgebiet brauchen, sind im Markthochlauf anders nicht zu beschaffen.“ Vor allem für die energieintensiven Unternehmen der Ruhrwirtschaft sind verlässliche Rahmenbedingungen von enormer Bedeutung. „Ohne wettbewerbsfähige Energiepreise werden wir im Ruhrgebiet nicht überleben“, weiß Ralf Stoffels, Präsident der Südwestfälischen IHK zu Hagen.
Marode Infrastruktur als Gefahr für Wirtschaftsstandort Ruhr
Die Vizepräsidentin der Niederrheinischen IHK zu Duisburg Susanne Convent-Schramm legt im Interview konkrete Zahlen dar, die den Zustand der Infrastruktur schonungslos umschreiben: „Im Ruhrgebiet sind 37 Prozent der Autobahnbrücken marode. Das sind mehr als drei Mal so viele wie in Bayern. Das kann zu einer Gefahr für ganze Wirtschaftsstandorte werden.“ Die Ruhr-IHKs erwarten, dass möglichst viele Mittel vom 500 Milliarden Euro schweren Infrastrukturprogramm des Bundes ins Ruhrgebiet fließen werden.
»Ohne wettbewerbsfähige Energiepreise werden wir im Ruhrgebiet nicht überleben.«
Fachkräftemangel vs. Bürokratie
Eine weitere Herausforderung für die Ruhrwirtschaft stellt der Fachkräftemangel dar, der sich in den vergangenen Jahren immer mehr zum Standort-Risiko entwickelt hat. Der Präsident der IHK Mittleres Ruhrgebiet Philipp Böhme weiß: „Ein Lösungsansatz kann gezielte Einwanderung sein. Die Integration der Fachkräfte aus dem Ausland darf dann aber nicht an bürokratischen Hürden scheitern.“ Hier sind Wirtschaft und Politik in der gemeinsamen Verantwortung, um dem Fachkräftemangel entschiedenen entgegenzutreten.
Entschlossenheit, Geschlossenheit, Planbarkeit – und vor allem Tempo
Die Ruhr-IHKs werden die wirtschaftliche Entwicklung der Region auch zukünftig mit höchster Aufmerksamkeit verfolgen und dabei klar kommunizieren, an welchen Stellschrauben gedreht werden muss, um die Unternehmen und Betriebe bestmöglich zu unterstützen. Entscheidend sind dabei Entschlossenheit, Geschlossenheit, Planbarkeit – und vor allem Tempo!