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Essener Start-up Unigy

Um die Energiewende erfolgreich zu meistern, muss die Energiewirtschaft digitaler werden. Das Essener Start-up Unigy leistet einen Beitrag zu dieser Transformation, indem es mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) Energieversorger unterstützt, Strom effizient zu handeln.

Künstliche Intelligenz für eine smarte Stromwirtschaft

Erneuerbare Energien stellen sowohl die Zukunft als auch eine Herausforderung dar. Früher glich der Weg des Stroms, vom großen Kraftwerk über die lokalen Stromnetze bis in die Steckdose des Endkunden hinein, einer Einbahnstraße. Heute wird Elektrizität zunehmend dezentral erzeugt, in kleinen bis mittleren Erzeugungsanlagen im Ortsnetz oder auf den Dächern der Verbraucher, die ihren Solarstrom einspeisen und selbst zu Produzenten werden. Gleichzeitig unterliegt die Erzeugung von Öko-Strom witterungsbedingten Schwankungen. Abhängig davon, wie der Wind steht und wie oft die Sonne scheint, wächst oder schrumpft der Anteil der „Erneuerbaren“ am Strommix.

Die benötigte Strommenge zu prognostizieren und jederzeit eingedeckt zu sein, gehört zu den Pflichten von Energieversorgern. Was es heißt, auf einem immer kleinteiligeren Markt zu agieren, wissen Hind Seiferth, Khouschnaf Ibrahim, Jan Knoche sowie Matthias Lohse nur allzu gut. Das Quartett verfügt über mehr als 70 Jahre Berufserfahrung in der Energiewirtschaft, ist interdisziplinär besetzt. „Wir sind Kaufleute, Mathematiker, Ingenieure“, führt Hind Seiferth aus. Gemeinsam kamen sie vor einigen Jahren zu dem Schluss, dass „KI und Automatisierung auch in unserer Branche Schlüsseltechnologien sein werden“. Und: „Uns war außerdem klar, dass wir die Sicherheit unserer Festanstellungen aufgeben und gründen müssen, wenn wir das Thema ausbauen wollen.“

Gedacht, getan: An der Finanzbörse ist „Algo Trading“ längst etabliert. Unter dem Banner der Unigy GmbH treten die vier Energieexperten an, den kurzfristigen Stromhandel mithilfe von Algorithmen zu durchdringen. Der sogenannte Intraday-Markt ermöglicht es Versorgern, fehlende Strommengen zu beschaffen oder überschüssige Elektrizität zu verkaufen – und das bis zu fünf Minuten vor Lieferzeitpunkt. Die Preise regeln Angebot und Nachfrage, und unsereins weiß: Spontankäufe sind nicht immer unbedingt die günstigsten. „Gerade für kleine bis mittelgroße Stadtwerke ist es relativ schwierig, ihr Portfolio effizient auszugleichen – oft, weil Infrastruktur und Personal fehlen“, erklärt Matthias Lohse, Mitgründer von Unigy.

Diese Lücken schließt Unigy mit einer KI und Machine Learning. Sie fungiert als eine Art Zwischenhändlerin. „Unsere KI analysiert den Markt rund um die Uhr, um die bestmöglichen Preise zu erzielen. Als unabhängige Asset Manager unterstützen wir Energieversorger dabei, ihre gesamte Wertschöpfungskette vom Handel bis zur Vermarktung zu optimieren“, fasst CEO Hind Seiferth zusammen. „Versorger könnten mithilfe der Automatisierung dynamische Stromtarife für ihre Kunden besser abbilden oder allgemein mehr fluktuierende Energien ins Portfolio aufnehmen, um einen zusätzlichen Beitrag zur Energiewende zu leisten.“

Gründung in einer Phase globaler Verunsicherung

Die Gründung von Unigy fiel in eine Phase globaler Verunsicherung. Freilich war die jüngere Vergangenheit für die meisten Unternehmen herausfordernd. Für ein Start-up im Energiesektor war die Situation jedoch eine spezielle. „Mit dem Beginn des Krieges in der Ukraine spielten die Energiemärkte verrückt. Das war ein ungeahnter Stresstest für die KI“, so Seiferth. Doch auch eine KI wächst mit ihren Aufgaben. „Der Algorithmus funktioniert auch in außerordentlichen Preislagen“, bekräftigt Lohse. Eine Vielzahl von Daten – rund 7.000 Datensätze werden ständig ausgewertet – fließt in die ständige Analyse ein. Ein derart außergewöhnliches Beben am Markt wie im Frühjahr 2022 könne die KI zwar nicht vorhersagen, wohl aber auf die Erschütterungen reagieren. 

Keine Frage: Unigy bietet eine Dienstleistung am Puls einer bewegten Zeit. Dass das Start-up 2022 mit dem Gründerpreis NRW ausgezeichnet wurde, ist ein Beleg. Sicherlich habe die Krise für eine erhöhte Wahrnehmung gesorgt, glauben auch Hind Seiferth und Matthias Lohse. Vorher seien die Preise für Strom oder Gas mehr oder weniger hingenommen worden. „Nun schauen alle ganz genau hin.“

Auch bei den Energieversorgern. Mit zwei Kunden in der Kartei, wovon einer als Gesellschafter einstieg, ging das Start-up an den Markt. Inzwischen handelt Unigy im Auftrag von 15 Stadtwerken. Neun Mitarbeiter arbeiten mittlerweile für das Unternehmen. Weiteres Wachstum ist fest vorgesehen. Mit dem Markteintritt Anfang 2024 in Großbritannien wurde der erste von weiteren europäischen Märkten erschlossen.

Der unmittelbare (Aus-)Blick aus dem Turm des Gründerzentrums BRYCK im Herzen der „Energiehauptstadt“ Essen gilt auch der näheren Umgebung. Seiferth verweist auf die vielen Anknüpfungspunkte in der meo-Region, nicht nur im Hinblick auf potenzielle Kunden: „Unsere Vision ist eng verbunden mit der Energiewende. Im direkten Umfeld bieten sich viele Möglichkeiten für wissenschaftliche oder technische Kooperationen, etwa mit Universitäten oder Anlagenbetreibern.“ Matthias Lohse ergänzt: „Durch unser bestehendes Setup sind wir in der Lage, überall dort anzuknüpfen, wo Energie im Spiel ist.“ 

Patrick Torma

Verfasst von:
Patrick Torma

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