In die Wolle vernarrt
Wenn Sabine Tischer etwas macht, dann richtig. Die Fachfrau aus Leidenschaft zum Thema Wolle, Nadeln, Handarbeiten und Kommunikation kennt sich bestens aus. Es gibt keine Frage bezüglich der bunten Knäule, auf die die 50-Jährige keine Antwort kennt. Weichheitsgrade, Zauberball, Stärken, die verschiedenen Materialien wie Bambus, Zuckerrohr… und und und. Neben Garnen aus verschiedensten Materialien und aus vielen Ländern gibt es im Wollfühlraum in Mülheim an der Ruhr auch immer einen guten Rat – Fragen erwünscht.
Sabine Tischler schmunzelt: „Wir hängen an der Nadel – und dass im September schon fünf Jahre.“ Gemeinsam mit ihren zwei tatkräftigen Mitarbeiterinnen freut sie sich auf das Jubiläum. Sie kann sich noch gut an die Anfänge ihrer Selbstständigkeit erinnern. „Nachdem die Kinder größer wurden, habe ich als Aushilfe in einem Wollladen gearbeitet und die ersten Kurse gegeben. Das hat mir richtig viel Spaß gemacht. Und dann ist die Idee gereift, es mit einem eigenen Wollgeschäft zu versuchen.“ Sie wurde ganz in der Nähe des Wohnortes fündig, in einem ca. 80 qm großen Lokal, in dem vorher 40 Jahre lang eine Pommesbude beheimatet war.
Fast zwei Jahre hat sie sich vorbereitet, Existenzgründungskurse belegt, nach ausgefallenen Garnen recherchiert und das Lokal eingerichtet: „Ich wollte es anders machen als all die anderen Anbieter um mich rum. Und habe erst einmal experimentiert, um zu schauen, was bei der Kundschaft ankommt.“ Diese ist bunt gemischt, von der 18- bis 85-Jährigen ist alles dabei. Sabine Tischler beobachtet die Bereitschaft, sich etwas zu leisten, also ruhig auch Geld in die Hand zu nehmen für das „Sockengold“, ein kleiner Luxus im Alltag. Neben Trendfarben und hochwertigen Garnen ist das Thema Nachhaltigkeit immer mehr im Kommen. „Wo das Schaf herkommt, mit welchen Farben die Wolle gefärbt wird, und so weiter. Solche Aspekte werden immer wichtiger. Und auch komplett vegane Materialien aus Kunststoff, der dennoch abbaubar ist, dafür interessieren sich immer mehr Menschen.
»Und dann ist die Idee gereift, es mit einem eigenen Wollgeschäft zu versuchen.«
Um die Liebe zur Masche weiterzugeben, die bei ihr vor 38 Jahren begann, gibt es jeden Abend in festen Gruppen Strickkurse im Laden. Da wird dann in entspannter Atmosphäre gemeinsam gearbeitet. „Die Leute suchen die Nähe zu Gleichgesinnten. Die wollen sich unterhalten und dabei handarbeiten. Das macht vielen Freude.“ An den Wochenenden gibt es flexible Gruppen, damit auch Schichtarbeitende teilnehmen können. Jede Gruppe wird mittels Social-Media mit Informationen versorgt.
Überhaupt hat Sabine Tischer viel Spaß am Marketing. Firmenname und Logo kommen von ihr und immer wieder gibt es neue Ideen zum Branding und zur Vermarktung. Auch der Aspekt der sozialen Medien hat es ihr angetan. Sie postet fleißig bei Facebook, Instagram und Tik-Tok. Ihre Kundschaft schätzt das Engagement und Herzblut, das bei allen Projekten, die die umtriebige Geschäftsfrau anpackt, durchkommt.
Ein weiteres Standbein ist die Auftragsarbeit. Hier wird nach Festpreisen für den Kunden individuell gestrickt. Wie etwa die Chucks, die hier gerade als Socken in kultiger Schuhform entstehen. Oder der braune Mantel, der nachgestrickt werden soll. Sabine Tischer und ihr Team stellen sich so ziemlich jeder Herausforderung. Auch das Ausbessern und Erweitern von Wollkleidung gehört dazu: „Hier geht keine Masche verloren. Wir schmeißen nichts weg, alles wird verwendet und wieder aktuell aufbereitet“.
»Ich wollte es anders machen als all die anderen Anbieter um mich rum. Und habe erst einmal experimentiert, um zu schauen, was bei der Kundschaft ankommt.«
Hoher Besuch
Zudem erhielt der Wollfühlraum letztens Besuch aus Spanien. Thomas Marin, der neue Geschäftsführer des spanischen Unternehmens „Fil Katia“ kam zu Besuch. Sein deutscher Vertreter hat ihm so viel über den kleinen Laden in Mülheim erzählt, da wollte er sich ein eigenes Bild machen. Sabine Tischler hieß ihn daraufhin genauso herzlich willkommen wie alle anderen Kunden im Laden.
Stricken ist in – Handarbeiten boomen und das schon seit einigen Jahren.
Info: Im Jahr 2021 gab es in der deutschsprachigen Bevölkerung ab 14 Jahren rund 2,66 Millionen Personen, die mehrmals wöchentlich strickten, häkelten oder schneiderten. Quelle: Statistika