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Betriebliche Mobilität: Wie Kommunikation neue Geschichten schreibt

Um Mitarbeitenden für neue und nachhaltige Formen von Mobilität zu begeistern, braucht es mehr als rationale Argumente.

Um Mitarbeitenden für neue und nachhaltige Formen von Mobilität zu
begeistern, braucht es mehr als rationale Argumente.
In unserem exklusiven Interview mit Christian Wißmann, einem Experten für
Organisations- und Personalentwicklung, enthüllen wir die entscheidende
Rolle der Kommunikation bei der Einführung nachhaltiger Mobilitätskonzepte
in Unternehmen. Erfahren Sie, wie die richtige Kommunikation den Übergang
zu nachhaltiger Mobilität reibungsloser gestalten kann und wie Unternehmen
Mitarbeiter aktiv einbinden und motivieren können.

Welche Rolle spielt die interne Kommunikation in einem
Veränderungsprozess, insbesondere bei der Sensibilisierung
der Mitarbeitenden / Welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach
Kommunikation in der erfolgreichen Umsetzung neuer
Mobilitätskonzepte in Unternehmen?

Christian Wißmann: Kommunikation spielt die entscheidende
Rolle. Dabei verstehen wir unter Kommunikation mehr
als eine gute Geschichte, die wir den Adressaten einer Veränderung
erzählen. Obwohl eine gute Geschichte durchaus
auch ein Teil gelingender Kommunikation sein kann. Wenn
ich sage wir verstehen darunter mehr, dann spreche ich von
Schlagworten wie Beteiligung und Einbindung.

Wir machen uns dabei das zunutze, was Michael Norton als
den Ikea-Effekt beschreibt. Kurz gesagt: Menschen schreiben
der Lösung, die sie selbst gefunden haben, immer einen
höheren Wert bei als der Lösung, die ihnen vorgesetzt wird –
egal, wie gut oder schlecht die jeweilige Lösung objektiv betrachtet
ist. Zuvor hatte ich erwähnt, dass gute Geschichten
durchaus wichtig sein können. Aus meiner Sicht ist es ganz
wichtig, dass wir hier positive Bilder zeichnen. Wir sollten
uns nicht hinreißen lassen, Ängste zu schüren, Druck aufzubauen
und eine Verhaltensveränderung durch ein Muss zu
erzwingen. Ich weiß, gerade bei der Diskussion um das Erreichen
von Klimazielen gibt es hier durchaus auch andere

Meinungen. Dennoch glaube ich, dass wir gerade hier mehr
erreichen können, wenn wir Menschen aufzeigen, was sie
durch neue und nachhaltige Formen von Mobilität gewinnen
können. Mehr Flexibilität, mehr Bewegung und Gesundheit,
gespartes Geld, etc.

Welche ersten Schritte empfehlen Sie Unternehmen,
die gerade erst beginnen, nachhaltige Mobilitätskonzepte
zu implementieren, um den Übergang reibungsloser zu
gestalten?

Wenn wir beginnen an einer
Veränderung zu arbeiten müssen
wir uns also immer Fragen
:

  • Wer wird davon betroffen sein?
  • Wie werden diese Betroffenen
    Personen auf das Thema blicken?
  • Wie kann ich diese betroffenen
    Personen in die Gestaltung von
    Weg und Ziel einbinden?

Christian Wißmann,
Gründer und Geschäftsführer
der ACCENTUS GmbH

Denken Sie weniger an die Sache und mehr an den Adressaten. Dies muss ich etwas ausführen. Ich beobachte, dass wir Veränderungen oft von der Sache her denken, planen und kommunizieren. In Bezug auf nachhaltige Mobilität stellt sich dann schnell die Frage: Womit erreichen wir die größten Effekte? Wenn wir eine Veränderung so angehen, ist die Gefahr recht groß, dass ich direkt mit den härtesten Nüssen starte. Die Folge sind viele anstrengende Diskussionen, schleppende Umsetzungen und im schlechtesten Fall verbrannte Erde. Daher plädiere ich an dieser Stelle immer für den Perspektivenwechsel zum Adressaten. Welche Veränderungen sind niederschwellig und einfach zu gehen? Wo können wir schnell Erfolge erzielen und Vertrauen aufbauen? Sind diese ersten Schritte gegangen, haben wir immer noch Zeit die härteren Nüsse zu knacken. Dies passiert dann aber auf dem stabilen Fundament erster Erfolge. Ganz wichtig: Auf das Prinzip der Freiwilligkeit setzen. Auch wenn wir erst am Ziel sind, wenn eine klare Mehrheit nachhaltiger mobil ist, so müssen wir doch nicht gleich von Beginn an ganz aktiv mit einer Mehrheit arbeiten. Zu groß das Risiko, dass wir uns am Widerstand weniger abarbeiten. Wir raten daher immer dazu, mit denjenigen Personen zu beginnen, die Lust dazu haben. Dies hat viele Vorteile. Zum einen kommen wir viel schneller und lautloser in eine Umsetzung. Zum anderen schaffen wir so Referenzpunkte, die wir später als wertvolle Multiplikatoren und positive Beispiele nutzen können.

Welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach Technologie in der Kommunikation und welche Chancen bietet sie?

Eine zweischneidige. Auf der einen Seite arbeiten wir heute alle viel selbstverständlicher mit Tools wie MS Teams, die wir natürlich auch für die Gestaltung von Veränderungsprojekten nutzen. Auf der anderen Seite wird es aufgrund der Vielzahl
an Kanälen und Informationen immer schwieriger Menschen auf diese Wege zu erreichen. Gerade dann, wenn es um ein so komplexes Thema wie nachhaltige Mobilität geht. Ich denke, gerade beim Finden neuer Wege und Lösungen kommen wir
im direkten Kontakt schneller voran. Eine weitere Facette, die sehr interessant sein kann, ist die Möglichkeit Content zu erstellen, der über Bilder und Videos funktioniert. Kurze Clips können heute auf dem Handy erstellt werden…

Welche Anreize und Belohnungen können Unternehmen einführen, um Mitarbeitenden dazu zu motivieren, nachhaltige Verkehrsmittel zu nutzen?

Durchaus viele – auch wenn es gegen manche der gleich
genannten Ideen auch Aufschreie geben wird:

  • Zuschüsse zum Deutschland Ticket
  • Jobrad
  • Einen Arbeitsweg mit dem ÖPNV als Arbeitszeit
  • Zusätzliche Urlaubstage bei Anreise mit dem Fahrrad
  • Fahrradabstellanlagen direkt am Eingang
  • Bessere/reservierte Parkplätze für Fahrgemeinschaften

Gibt es bewährte Methoden, um Mitarbeitenden aktiv in die Gestaltung und Entwicklung (von Mobilitätskonzepten) einzubeziehen und ihre Ideen und Bedenken zu berücksichtigen?

Ja, die gibt es in jedem Fall, und zur Einbindung würde ich ausdrücklich raten. Jedoch gestalte ich die Einbindung der Mitarbeitenden gerne als einen sogenannten „Dialog auf
fester Basis“. Ich bin kein großer Freund von zu offener und fundamentaler Beteiligung. Dies gilt übrigens nicht nur beim Thema Mobilität. Unter zu früher und zu offener Beteiligung leidet meist die Qualität der Ergebnisse.

Ich finde es durchaus richtig, wenn sich weniger Experten zunächst die Mühe machen erste Herausforderungen zu identifizieren und erste Lösungsskizzen zu entwickeln. Auf dieses Basis schaffen wir es mit den Betroffenen in einen qualitativ wirklich wertvollen
Austausch zu kommen. Diese Vorgehensweise ist zudem recht effizient, da wir gezielt fragen können: Welche der Ideen gefallen Euch gut? Wo erkennt Ihr noch Probleme? Was fehlt Euch noch? Welche zusätzlichen Ideen hättet Ihr?

Welche Rolle spielt die Schulung und Weiterbildung der Mitarbeitenden in Bezug auf Mobilitätskonzepte und -veränderungen, und wie kann diese effektiv gestaltet
werden?

Hier müssen wir unterscheiden in Mobilitätskonzepte und Veränderung von Verhalten. Mobilitätskonzepte kenne ich als eine Art Expertise, welche Kommunen oder Unternehmen erstellen lassen. Darin wird der Status Quo zu Modal-Split, etc.
ausführlich dargestellt und eine ganze Reihe an möglichen, sinnvollen Maßnahmen aufgelistet. Die Umsetzung einzelner Maßnahmen ist dann ein zweiter Schritt, sozusagen die Grundlage für die Veränderung von Verhalten. Hier können dann auch Schulung und Weiterbildung relevant sein. Wobei ich hier weniger auf Formate der
Wissensvermittlung setzen würde, sondern eher aus Formate von Coaching und Beratung. Beispielsweise eine Mobilitätsberatung für neue Mitarbeitende…

Wie kann die Kommunikation dazu beitragen, die Akzeptanz
und das Engagement der Mitarbeitenden (für nachhaltige
Mobilitätslösungen) langfristig aufrechtzuerhalten?

Eine Besonderheit am menschlichen Verhalten ist, dass es eben nicht immer wieder reflektiert und begründet wird, sondern vielmehr von Routinen und Gewohnheiten geprägt ist. Es geht also darum, neue Mobilitätsroutinen zu etablieren. Diese sollten dann an sich recht stabil sein und bleiben, auch ohne, dass wir viel Aufwand investieren müssen, um diese aufrecht zu erhalten.

Vielen Dank für das Gespräch!

Weitere Informationen

Sie wünschen Beratung und Unterstützung zum Thema „Betriebliche Mobilität”? Ihr Ansprechpartner zu dem Thema ist: Malte Gehring

Malte Gehring

Verfasst von:
Malte Gehring

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