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DIHK-Sofortmaßnahmen für die neue Bundesregierung

Das Sondervermögen markiert den Auftakt für einen wirtschaftlichen Neustart. Entscheidend ist nun, dass die neue Bundesregierung schnell handelt.

Das Sondervermögen als Verpflichtung zum Neustart

Das vergangene halbe Jahr hat Spuren hinterlassen: in der Gesellschaft, in der Politik sowie in Wirtschaft und Industrie. Das vorzeitige Ende der alten Bundesregierung ermöglichte Neuwahlen am 23. Februar 2025. Noch vor der Konstituierung des neuen Bundestages einigten sich die Fraktionen auf ein historisches Finanzpaket. Das Sondervermögen sieht Investitionen in Sicherung und Infrastruktur vor. Es sind Investitionen, die dringend erforderlich sind. Als Industrie- und Handelskammer begrüßen wir diese ausdrücklich. Vor allem die marode Infrastruktur lähmt die Ruhrwirtschaft seit vielen Jahren.


Mit dem historischen Sondervermögen wurden die Weichen gestellt. Es bleibt abzuwarten, ob die neue Bundesregierung den richtigen Weg einschlagen wird. Mit dem Finanzpaket nimmt sich die Politik vorab einen massiven Vertrauensvorschuss. Diesen gilt es möglichst schnell zurückzuzahlen. Denn das Sondervermögen ist nicht nur eine Chance für den dringend erforderlichen Neustart – es ist eine Verpflichtung.

DIHK-Sofortmaßnahmen für die neue Bundesregierung:
12 Punkte für die ersten 100 Tage

Deutschland steht an einem entscheidenden Punkt. Die neue Bundesregierung hat die Chance, das Vertrauen der Wirtschaft zurückzugewinnen – durch Planungssicherheit, Investitionsanreize und attraktive Standortbedingungen. Das beschlossene Milliardenpaket kann ein wichtiger Impuls sein, doch entscheidend ist, wie es genutzt wird. Geld allein macht noch keine gute Politik – es braucht klare Reformen, die Wachstum und Innovation ermöglichen.
Jetzt ist der Moment, ein starkes Signal zu senden: Weniger Kosten, mehr Tempo und vor allem wieder mehr unternehmerische Freiheit. Eine zentrale Stellschraube ist dabei eine echte Unternehmenssteuerreform. Es ist entscheidend, dass Unternehmen

wieder in Deutschland investieren, Arbeitsplätze sichern und neue Technologien vorantreiben.
Viele Maßnahmen lassen sich sofort anstoßen und bringen schnell spürbare Effekte. Die DIHK hat 12 konkrete Punkte zusammengestellt, die die neue Bundesregierung in ihren ersten 100 Tagen umsetzen sollte. Sie sind pragmatisch, effizient und zum Teil ohne zusätzliche Kosten realisierbar. Sie lösen Blockaden, setzen Impulse für Innovation und stärken die Wettbewerbsfähigkeit unseres Standorts.
Die Wirtschaft ist bereit, ihren Beitrag zu leisten – jetzt braucht es entschlossenes Handeln der Politik.

1. Auflagenflut mit einem „Aufschwung-Gesetz 2025“ angehen

Überbordende Bürokratie bindet in Unternehmen unnötig Ressourcen. Streichen ist daher das Motto der Stunde. Hunderte konstruktive Vorschläge der Wirtschaft liegen bereits vor. Damit hat die Bundesregierung eine Grundlage für ein Aufschwung-Gesetz, das Mut zum Loslegen macht und kurzfristig zeigt, dass es die neue Bundesregierung mit dem Abbau von mindestens 25 Prozent der gesamten Bürokratie ernst meint. Um den Zuwachs an neuen Pflichten zu begrenzen, sollte die Bundesregierung die „One-in-one-out“-Regelung auf mindestens eine “One-in-two-out“-Regel erweitern und auf die EU-Gesetzgebung ausweiten.

2. Gesetze für Energieeffizienz und Gebäude auf europäisches Minimum entschlacken

Die Belastung der Unternehmen durch übertriebene Ausgestaltungen bei den Umsetzungsplänen für Energieeffizienz oder Abwärme-Meldepflichten muss beendet werden. Notwendig ist deshalb ein Zurückschneiden des Energieeffizienzgesetzes auf die europäischen Vor-gaben und ein Anheben der Schwelle für die Einführung von Energiemanagementsystemen auf 23 GWh. Die praxisuntauglichen Vorgaben des Gesetzes zur Energieeinsparung müssen aus Sicht der Betriebe wegfallen. Auch das Energieauditgesetz sollte auf die europäischen Vorgaben begrenzt und das Gebäudeenergiegesetz auf den Status vor der letzten Novelle zurückgesetzt werden.

3. Beschleunigungspakt von Bund und Ländern in die Praxis bringen

Wir brauchen mehr Tempo bei allen Planungs- und Genehmigungsverfahren! Für bestimmte Projekte wie LNG-Terminals, Windenergie- oder Solaranlagen hat die Politik bereits Beschleunigungsgesetze mit Fristverkürzungen, Stichtagsregelungen und Verfahrensvereinfachungen beschlossen. Diese Maßnahmen gilt es, für alle Projekt- und Verfahrensarten umzusetzen. So sollte die Politik den „Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung“ von Bund und Ländern mit mehr als 150 Maßnahmen zur Beschleunigung von Verfahren in einem Artikelgesetz vollständig umsetzen – bislang sind nur acht Maßnahmen davon zumindest teilweise in Kraft. Deutschland braucht hier schnell und einfach ein Tempo-Turbo für Infrastruktur- und Investitionsprojekte.

4. Stromsteuer dauerhaft für alle Branchen auf das europäische Mindestmaß senken

Die hohen Energiekosten belasten die deutsche Wirtschaft massiv, insbesondere im inter-nationalen Wettbewerb. Durch die im Sondierungspapier angekündigte Senkung der Stromsteuer für alle Branchen auf das europäische Mindestmaß werden Unternehmen deutlich entlastet und gleichzeitig strombasierte klimafreundliche Technologien finanziell attraktiver. Finanziert werden kann dies über die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung. Zu-dem sollten die übrigen Umlagen und Abgaben auf Strom in den Bundeshaushalt beziehungsweise den Klima- und Transformationsfonds überführt werden. Das brächte nochmal eine Entlastung von bis zu 2,5 Cent/kWh.

5. Netzentgelte langfristig durch einen staatlichen Zuschuss entlasten

Durch Maßnahmen zur Stabilisierung der Stromnetze haben sich die Entgelte für das Übertragungsnetz in den vergangenen Jahren verdoppelt. Eine Halbierung der Übertragungsnetzentgelte durch eine Bezuschussung von jährlich rund 6 Milliarden Euro in der Transformationsphase der Energieversorgung entlastet Unternehmen deutlich. Für 2024 und 2025 lag der Zuschuss bereits auf dem Tisch – jetzt muss er endlich umgesetzt werden!

6. Solidaritätszuschlag sofort abschaffen

Die Steuerbelastung für Unternehmen in Deutschland zählt zu den höchsten weltweit. Das hemmt Investitionen und schwächt die Innovationskraft. Das Sondierungspapier kündigt an, spürbare Anreize für unternehmerische Investitionen zu setzen. Die Unternehmens-steuer sollte daher schrittweise auf maximal 25 Prozent gesenkt werden. Ein erstes gutes Signal ist der Wegfall des Solidaritätszuschlags, den derzeit überwiegend Unternehmen zahlen – dies kann der Bund ohne die Länder beschließen.

7. Schnellere Steuerabschreibung wieder einführen (degressive AfA)

Bewegliche Wirtschaftsgüter konnten bis Ende 2024 auch beschleunigt (degressiv statt linear) abgeschrieben werden. Das drückt vor allem im Anschaffungsjahr die Steuerbelastung. Eine Verlängerung dieser Regelung stand bereits in einem Gesetzentwurf – und sollte jetzt rückwirkend zum 01.01.2025 realisiert werden.

8. Deutsches Lieferkettengesetz abschaffen, Berichtspflichten begrenzen

Mit der Einführung einer europäischen Regelung zur Lieferkettensorgfalt ist das deutsche Gesetz überflüssig, da es deutsche Unternehmen im EU-Wettbewerb benachteiligt. Eine umgehende Abschaffung ist daher folgerichtig. Die Unternehmen in der Breite, vor allem im Mittelstand fordern bei den Sorgfaltspflichten einen spürbaren Bürokratieabbau. Daher sollte die europäische Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) – wenn sie denn beibehalten wird – dringend schlanker, rechtssicherer und praxistauglicher ausgestaltet werden. Die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) sollte sich auf tatsächlich richtig große Kapitalgesellschaften beschränken, statt eine große Zahl an KMUs direkt oder indirekt zu belasten.

9. Beschäftigung Älterer stärken

Ein zentraler Hebel zur Fachkräftesicherung ist es, die Erwerbsbeteiligung Älterer weiter zu erhöhen. In einem ersten Schritt sollten dazu alle Anreize für einen vorzeitigen Ausstieg aus dem Erwerbsleben abgeschafft werden. Das gilt insbesondere für die abschlagsfreie Rente für besonders langjährig Versicherte nach 45 Versicherungsjahren. Zur Erleichterung der Beschäftigung Älterer sollte eine befristete Beschäftigung nach Erreichen der Regelaltersgrenze auch beim bisherigen Arbeitgeber uneingeschränkt möglich sein. Zudem sollten die Arbeitgeberbeiträge zur Arbeitslosenversicherung für erwerbstätige Rentner – aus denen keine Versicherungsansprüche mehr resultieren – entfallen.

10. Flexible Beschäftigung sichern

Betriebe und ihre Mitarbeiter erhalten mehr Flexibilität, wenn es wie im Sondierungspapier angekündigt statt der bisherigen täglichen Höchstarbeitszeit nur eine wöchentliche Höchstarbeitszeit gibt. Zudem soll es den Unternehmen freigestellt werden, in welcher Form sie die Arbeitszeit erfassen: Insbesondere eine einvernehmlich vereinbarte Vertrauensarbeitszeit muss von der Erfassung der Arbeitszeit durch gesetzliche Klarstellung ausgenommen bleiben.

11. Rohstoffsicherung zielgerichteter vorantreiben

Aktuell arbeitet eine Vielzahl an Ressorts separat voneinander an dem Thema Rohstoffe. Angesichts der hohen Abhängigkeit Deutschlands von Rohstoffen aus dem Ausland und dem immer stärker werdenden Wettlauf um kritische Rohstoffe ist es unerlässlich, die Ressourcen zielgerichteter im Interesse der Rohstoffsicherung einzusetzen. Zugleich muss Deutschland durch gezielte strategische Projekte deutlich machen, dass dieses Thema Top-Priorität hat. Dafür braucht es eine klare Verantwortung an einer Stelle in der Bundesregie-rung, die diese Ziele mit Nachdruck verfolgt.

12. Verantwortung in Europa übernehmen

In der letzten Legislatur hat sich Deutschland insbesondere im Rat wenig präsent gezeigt und oftmals bei wichtigen Gesetzen keine klare Position bezogen. Gerade in Zeiten von schwindender Wettbewerbsfähigkeit braucht es dringend mehr Gestaltungswillen und Leadership durch die neue Bundesregierung, da sich kleine EU-Länder oft an Deutschland
orientieren wollen. Es ist notwendig, dass Deutschland hier seiner Verantwortung als größter EU-Mitgliedstaat gerecht wird, zusammen mit wichtigen Partnern Impulse setzt und die Vereinfachungsbestrebungen der Europäischen Kommission unterstützt. Bürokratieabbau sowie Bessere Rechtsetzung müssen auch im Rat oberste Priorität haben. Voraussetzung dafür ist eine stringentere Europakoordination innerhalb der Bundesregierung von Tag 1 an.

Steffen Elsebrock

Verfasst von:
Steffen Elsebrock

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