Kerstin Groß und Jens Hendrik Zerres
Region

100 Jahre unternehmerische Immobiliengeschichte

Am 1. Oktober 1922 gründete Johann Zerres das Maklerunternehmen Mülheimer Häuser- und Grundstücksverwertung – in einer Zeit, die für eine Selbstständigkeit eher schwierig war.

Ein Jahrhundert voller Geschichte

„Es gab eine Hyperinflation im Nachgang zum ersten Weltkrieg“, erzählt der heutige Inhaber Jens Hendrik Zerres, „aber mein Großvater ist den mutigen Schritt gegangen.“ Über die Beweggründe kann er nur spekulieren: „Ich vermute, dass er damals lieber seinen eigenen Weg gehen und agiler als in einem Großkonzern arbeiten wollte. Er kannte seine Materie gut und konnte so die Dinge auf seine Weise anpacken.“ Seit einem Jahrhundert ist das Unternehmen im Familienbesitz – mittlerweile in der dritten Generation.

Johann Zerres leite zehn Jahre die Immobilienabteilung der Thyssen AG bevor er den Schritt in die Selbständigkeit wagte. „Bis zum Beginn des zweiten Weltkriegs lief das Geschäft gut, dann wurde es schwierig, weil mein Großvater keiner Organisation der damaligen Partei beigetreten ist“, berichtet Jens Hendrik Zerres. Mit Kriegsende 1945 konnte Johann Zerres sich dann dem Wiederaufbau seines Unternehmens widmen. Er wurde als erster Makler nach dem Krieg zum vereidigten Sachverständigen zur Ermittlung der Verkehrswerte von Haus- und Grundeigentum im IHK-Bezirk Essen bestellt. Nach seinem BWL-Studium trat 1966 dann sein Sohn Hans Dieter Zerres in die Firma ein – das Unternehmen wurde umbenannt in Mülheimer Häuser- und Grundstücksverwertung Johann Zerres u. Sohn. „Wir sind hier in Mülheim gut vernetzt und kennen die Materie. Dazu ist es auch mal eine schöne Abwechslung.“ 1974 verstirbt der Firmengründer Johann Zerres im Alter von 82 Jahren.

„Ich bin 2008 ins Familienunternehmen eingestiegen“, berichtet Jens Hendrik Zerres. Nach seinem BWL-Studium arbeitete er mehrere Jahre in leitender Position in international aufgestellten Immobilienfirmen – aber schließlich zog es ihn zurück nach Mülheim. Er wollte die Chance nutzen das Familienunternehmen weiterzuführen und sich nicht eines Tages vorwerfen, es nicht versucht zu haben: „Mein Vater hat mich nie gefragt, ob ich die Firma übernehmen möchte und mir damit viel Freiheit gelassen. Trotzdem war er sicherlich stolz und glücklich, als ich mich für Zerres u. Sohn entschieden habe.“ Leider verstarb Hans Dieter Zerres unerwartet nur wenige Wochen vor der Übernahme. „Das war für mich ein ziemlicher Kaltstart“, erinnert er sich. „Zum Glück kannte unsere langjährige Mitarbeiterin die Kunden gut und auch meine Mutter hat sehr geholfen.“ Jens Hendrik Zerres setzt das Engagement der Familie fort und wird in den Vorstand der Grundstücksbörse Ruhr e. V. und später auch in den Gutachterausschuss der Stadt Duisburg gewählt.

»Mein Vater hat mich nie gefragt, ob ich die Firma übernehmen möchte und mir damit viel Freiheit gelassen.«

Das operative Geschäft liegt ihm sehr, am liebsten arbeitet Jens Hendrik Zerres mit Menschen. „Definitorisch sind wir ein Kleinstunternehmen. Seit 1922 arbeiten fast durchgängig ein Herr Zerres und ein Mitarbeiter oder oft eine Mitarbeiterin bei uns. Das macht uns extrem flexibel in Bezug auf Trends am Markt und schnell in unserer Entscheidungsfähigkeit. Diese Flexibilität hilft uns auch sehr bei den freiwilligen Immobilienauktionen, die wir mehrmals im Jahr abhalten. “ Das ist in der aktuellen Zeit von großem Vorteil: Schon in der Corona-Krise hat sich der Markt schnell gewandelt, aktuell ist die Situation noch komplexer: „Die Inflation wirkt auf uns ein, Materialengpässe durch den Ukraine-Krieg und die Pandemie setzen der Branche zu und auch die Nebenkosten steigen. Das hat große Auswirkungen auf die Mietzinsen.“

Yvonne Schumann

Verfasst von:
Yvonne Schumann

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